Der Elbe-Lübeck-Kanal, in Schifferkreisen "ELK" genannt, hatte vor kurzem einen runden Geburtstag, doch als er im Jahre 1900 durch Kaiser Wilhelm II. eröffnet wurde, konnte er bereits auf die 500jährige Tradition des alten Stecknitzkanals zurückschauen, der als erster Wasserscheidenkanal Nordeuropas einst weltberühmt war und dessen alter Trasse - ohne die vielen Flußwindungen - auch der moderne Kanal folgt.
Von Lüneburg über Lauenburg, Schwarzenbek, Alt-Mölln und dann entlang des Ratzeburger Sees nach Lübeck führte einst die "Alte Salzstraße", auf der im späten Mittelalter Generationen von Fuhrleuten die weiße Ware an die Ostsee brachten.

Als diese Transportkapazität nicht mehr ausreichte, wurde im Jahre 1335 die Stecknitzschiffahrt eröffnet. In offenen Kähnen, nur durch Planen gegen Regen geschützt, wurde das Lüneburger Salz die Ilmenau abwärts bis nach Zollenspieker am rechten Elbeufer gebracht, wurde dort in Fässer umgefüllt und auf der Straße bis nach Mölln gekarrt, hier abermals in Kähne gekippt, um über die Stecknitz, die aus dem Möllner See nach Norden in die Trave floß, die heute noch nahe dem Holstentor aufgereihten Salzspeicher der Hansestadt zu erreichen.

In den Jahren 1390 bis 1398 bauten die Lübecker ihren Wasserweg im Einvernehmen mit dem Herzog von Sachsen-Lauenburg zur durchgehenden Verbindung aus. Dabei wurde das zwischen Mölln und Grambek entspringende, sich südwärts schlängelnde und bei Lauenburg in die Elbe mündende Flüßchen Delvenau durch einen 10 Kilometer langen Graben an die Stecknitz angeschlossen. Die fortan hier verkehrenden prahmartigen Spezialschiffe waren 19 Meter lang und konnten 200 Zentner Salz befördern, was 15 Wagenladungen entsprach.

Obwohl die Reise von Lüneburg nach Lübeck auf dem 93 Kilometer langen Wasserweg bis zu vier Wochen dauerte, war der Schiffstransport weitaus wirtschaftlicher als der über Land.
Siebzehn Schleusen mußten passiert werden, drei Kammer- und vierzehn Stauschleusen. Die Schleusen waren einfache, an einer Seite geschlossene Kästen, in denen das Wasser so lange aufgestaut wurde, bis die Menge ausreichte, um die wartenden Schiffe nach dem Öffnen bis zur nächsten Schleuse zu schwemmen.
Bergwärts mußte natürlich getreidelt werden.

Später wurden die alten Stauschleusen zu beiderseits schließbaren Kammerschleusen umgebaut, was die Reise erheblich verkürzte. Diese Schleusen arbeiteten bereits nach dem Prinzip unserer modernen Kammerschleusen.
Da sie aus Holz bestanden, wurden sie oft erneuert und mußten später wohl auch dem Kanalneubau weichen, denn sie sind, ohne eine Spur zu hinterlassen, verschwunden. Nur die Palmschleuse bei Lauenburg, nahe dem ehemaligen Grenzübergang zur DDR gelegen, ist erhalten.
Sie trägt ihren Namen nach dem um die Wende zwischen dem 16. und 17. Jahrhundert hier residierenden Schleusenmeister Palm von Brunswig. Sehenswert ist auch das Elb-Schiffahrtsmuseum in Lauenburg, das einzige seiner Art in Deutschland.

Sobald man Lauenburg hinter sich gelassen hat, öffnet sich hinter den Deichen eine weite Landschaft, die tiefer als der Kanalwasserspiegel liegt. Die Ufer, die vor der Schleuse mit Holzstämmen sauber bewehrt waren, sind nun, nach Erreichen des 30 Kilometer langen Kanalscheitels, teilweise unbefestigt, ausgefranst und abgebrochen, einem Fluß ähnlicher als einem gezähmten Wasserweg.
Felder, Wiesen, Moore und Wälder ziehen gemächlich vorüber. Brettebene Weiden wechseln ab mit dichtem Buchenwald und Pappelreihen, die das Kanalufer wie eine Allee säumen - bis nach Lübeck. Kühe und Pferde stehen an den Ufern und auf dem Wasser schwimmen Schwäne, Enten und Reiher.

Vor der Stadt der Mühlen, dem Kneippkurort Mölln, wachsen die bewaldeten Hänge höher an. Man durchfährt die von hübschen Häusern flankierte Straßenbrücke und 500 Meter dahinter öffnet sich zur Rechten der Ziegelsee geheißene Teil des Möllner Sees.
Die Eulenspiegelstadt, wo 1350 der berühmte Schelm starb, am Rande des Naturparks "Lauenburger Seen" gelegen, ist gut für einen Landgang. Die von zwei Seen umschlossene und durch einen Damm mit dem Festland verbundene Altstadt gilt als eine Art norddeutsches Rothenburg mit einem mittelalterlichen Markt und einem 600 Jahre alten Backsteinrathaus.
Von der Donnerschleuse an geht es talwärts; die Schleusen Behlendorf, Berkenthin, und Krummesse folgen in raschem Abstand. Eine Kirche mit hölzernem Glockenturm ist zu sehen, und an den zum Wasser hin sanft abfallenden Hängen stehen alte Bauernhäuser.
Dann werden die Hügel flacher, die Landschaft offener, die Wasserfläche weiter und der Schilfgürtel breiter. Hinter der Schleuse Büssau drängen sich die ersten Hochhäuser von Lübeck in den Blick. Uralte knorrige Weiden beginnen dicht an dicht das Ufer zu säumen, ein weites Schilfmeer tut sich auf. Voraus findet sich die Straßenbrücke Lübeck-Genin und kurz dahinter steht einsam und verloren der Kilometerpfahl NULL im Ufergelände zur Linken.

Frauen beim Treideln
2005